„Will ein gläserner Abgeordneter sein“
Von Andreas Nigl
FRG/Berlin. Warum macht man das? Um Mitleid zu erwecken? Um auf Stimmenfang zu gehen? Der Grafenauer FDP-MdB Muhanad Al-Halak hat mit einem Spiegel-Interview, in dem er schonungslos seine Einkommensverhältnisse bis ins letzte Detail offengelegt hat, bundesweit für Aufsehen gesorgt. Ihm sei bewusst, dass das ein Ritt auf der Rasierklinge sei und eine Neiddebatte schüren könnte. „Ich habe es gemacht, weil ich mir selber treu bleiben wollte.“ Als er vor drei Jahren überraschend in den Bundestag eingezogen ist, habe er sich gesagt, dass er sich an seinem Mandat nicht bereichern wolle. „Ich will ein gläserner Abgeordneter sein.“
Spiegel-Anfrage als Gelegenheit
Eigentlich habe der Spiegel nur für ein Interview angefragt, in dem es um die Diätenerhöhung für die Mitglieder des Bundestags gehen sollte. Seit dem 1. Juli 2024 liegen die Gehälter bei 11227 Euro pro Monat und damit um sechs Prozent höher als die bisherigen 10592 Euro pro Monat. Für Al-Halak hingegen der richtige Zeitpunkt, sein Vorhaben umzusetzen. Er legt beim Treffen fein säuberlich Dokumente, Belege, etc vor. Der Spiegel-Reporter sei wegen seiner Offenheit sichtlich überrascht gewesen.
„Mir ist Ehrlichkeit wichtig“, sagt er am Dienstag am Telefon zur Mediengruppe Bayern. Ehrlichkeit, die auch dazu beitragen soll, das Klischee des raffgierigen Politikers zu zerstreuen.
Sein Telefon, die sozialen Medien, standen am Dienstag nicht mehr still. Es gab überwiegend Lob, auch zwei Abgeordnetenkollegen hätten ihm zu dieser schonungslosen Offenheit gratuliert.
Al-Halak, der auch betont, dass er sich vor seiner Abgeordnetenzeit durch viel Fleiß ein finanzielles Polster schaffen konnte, ist froh, diesen offenen Schritt getan zu haben. „Ich will mir selber treu bleiben und das als MdB verdiente Geld weitergeben.“
Treu bleiben, um auch für den Fall, dass er in der nächsten Wahlperiode für die FDP nicht mehr als Abgeordneter für den Wahlkreis Deggendorf einzieht, sagen zu können: „Ich kann stolz sein. Ich habe auch in diesem Lebensabschnitt alles richtig gemacht.“
Richtig gemacht hat Al-Halak auch vor seiner politischen Karriere viel. Er war als Elfjähriger 2000 mit seiner Familie vor dem Krieg im Irak nach Deutschland geflüchtet. 2006 machte er an der Grafenauer Mittelschule den Quali, danach bildete er sich 2010 bis 2012 zum Abwassermeister fort, wo er es bis zum Betriebsleiter der Grafenauer Kläranlage schaffte. Ebenso zielstrebig sein politischer Werdegang, Grafenauer FDP-Stadtrat und FRG-Kreisrat, 2021 dann der Einzug in den Bundestag.
„Stolz sein, alles richtig gemacht zu haben“
Laut Spiegel erhält Muhanad Al-Halak dort als Abgeordneter 11227,20 Euro pro Monat, dazu kommt eine Kostenpauschale von 5051,54 Euro für weitere berufliche Ausgaben. Viel übrig bleibe davon am Ende des Monats nicht, wird er im Interview zitiert. Sein Kontostand liege aktuell bei rund minus 2000 Euro.
Er habe kürzlich eine Eigentumswohnung für 375000 Euro gekauft und finanzierte sie mit 80000 Euro Eigenkapital, darüber hinaus besitze er ein Grundstück, für das er 50000 Euro bezahlt habe und das er ohne Fremdkapital finanzieren konnte. Aktuell wohne er in einem Zimmer bei seinen Eltern in Grafenau, wenn er in seinem Wahlkreis unterwegs sei. Dafür überweise er seinen Eltern monatlich 1000 Euro. Während der Sitzungswochen in Berlin übernachte er in Hotels, 17200 gebe er dafür im Jahr aus.
Dazu kommen 16320 Euro Miete für sein Wahlkreisbüro sowie die Mietkosten für ein gemeinsames FDP-Büro in München. Zusätzlich bezahlt er Beträge an diverse FDP-Organisationen, etwa eine jährliche Mandatsträgerabgabe von 2500 Euro an den Bezirk, 5640 Euro an die bayerische Geschäftsstelle, 1650 Euro an den Kreisverband und 100 an den Wahlkreis.
Mehr sparen als Abwassermeister
Zudem spendet Al-Halak nach eigenen Angaben jährlich 3250 Euro an diverse Vereine, etwa die Feuerwehr oder einen Soldaten- und Reservistenverein.
Durch seine fehlende Wohnung in Berlin esse er zwar stets auswärts, aber selten im Restaurant. Meist seien es „Burger, Döner, Pizza“ – insgesamt rund 500 Euro monatlich.
Privat leiste sich Al-Halak hingegen wenig, erzählt er in dem Spiegel-Interview. Er sei seit drei Jahren nicht in den Urlaub gefahren, auf unbedachte Lustkäufe verzichte er zudem, „auch weil ich Angst habe, in der FDP-Schublade zu landen“, erklärt er.
Vor seiner Abgeordnetentätigkeit war Al-Halak als Meister in der Abwassertechnik tätig, verdiente dort 3500 Euro netto. Dennoch habe er damals besser sparen können und sich durch Ersparnisse etwa seinen Wahlkampf im Wert von 10000 Euro finanziert oder sein aktuelles Auto gekauft.
KOMMENTAR
War es klug?
Authentisch war
es sicher!
Von Andreas Nigl
Ob es für ihn als Mensch klug war, darüber lässt sich streiten. Ob es für ihn als Politiker klug war, das wird sich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen. Der Grafenauer FDP-MdB Muhanad Al-Halak ist mit seiner schonungslosen Offenlegung seiner Einkommensverhältnisse einen Schritt gegangen, der für ihn eines war: Nämlich ehrlich und authentisch.
Al-Halak ist ein Gegenentwurf. Ein Gegenentwurf zum politischen Establishment. Er trägt sein Herz auf der Zunge, sagt das, was er denkt. Legendär sein Kifferinterview im Fernsehen, in dem er sich schon weit vor der Gesetzesänderung für die Legalisierung von Cannabis aussprach.
Erfolg schafft Neider. Und die werfen ihm vor, er sei kein Politiker, nur ein Showman. Sicher, Al-Halak legt Wert auf schöne Klamotten, ist immer top gestylt. Aber wer den Grafenauer nur auf Äußerlichkeiten reduziert, tut ihm unrecht.
Warum jetzt also so ein Paukenschlag-Interview? Ganz einfach, weil es Al-Halak so wollte. Jemand, der nach der Flucht aus dem Irak eine solche Polit-Karriere hingelegt hat, muss auch einen Plan verfolgen. Und weil man Al-Halak nicht vorwerfen darf, dass er es umgangssprachlich geschafft hat, sollte man ihm jetzt auch glauben, dass er das umgesetzt hat, was er sich bei Antritt seines Bundestagsmandats vorgenommen hat: Nämlich dass er ein transparenter Abgeordneter sein will, der vor seinen Wählern nichts zu verbergen hat. PNP