Minijobs führen direkt in die Armut
Schönberg. Fünf starke Frauen legten am Internationalen Weltfrauentag die Karten auf den Tisch, schilderten, welche Kraft sie jeden Tag aufbringen müssen, um ihren verschiedenen Rollen gerecht zu werden: als Mutter, Partnerin, Arbeitskraft, als Tochter pflegebedürftiger Angehöriger.
Ihr Zuhörer im Antoniushof war der Bundestagsabgeordnete Muhanad Al-Halak, der mit dieser Veranstaltung eine Reihe startete: „Jetzt mal ehrlich!“ Dabei will er aus erster Hand von Betroffenen erfahren, wie es ihnen in ihrer jeweiligen Situation wirklich geht und welche Wünsche sie an Politik und Gesellschaft haben.
„Die 450-Euro-Jobs, die jetzt auf 520 Euro aufgestockt werden, sind eine Falle für alle Frauen. Sie führen direkt in die Altersarmut und müssen deshalb umgestaltet werden“, appellierte eine Gesprächsteilnehmerin an den FDP-Politiker.
Wie schaffen es Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren? Das war das Thema der Veranstaltung und die Frauen, die Muhanad Al-Halak eingeladen hatte, schilderten offen, welchen Spagat sie dabei bewältigen müssen.
Tamara Posch und Stefanie Burger sind Unternehmerinnen, führen Hotels. Simone Bergmann-Nama arbeitet in der Versicherungsagentur ihres Mannes in Spiegelau mit. Anne-Marie Ederer ist ausgebildete Hauswirtschafterin und gelernte Arzthelferin. Sie war immer für die Familie da, hat ihrem Mann, der in Führungspositionen tätig war, den Rücken freigehalten, engagiert sich in der Kommunalpolitik und als Vorsitzende auf verschiedenen Ebenen im Frauenbund. Die Erzieherin Natalia Fefer leitet den Caritas-Kindergarten St. Benedikt in Frauenau.
Mit einem Lächeln bestätigte sie, was Gesprächsteilnehmerinnen berichteten: Sie ernteten „komische Blicke“, weil sie mit ihrer ganztägigen Berufstätigkeit nicht dem traditionellen Frauenbild entsprächen. „Das muss man eben aushalten“, sagten sie. Dabei wäre vieles einfacher, wenn es gerade unter den Müttern mehr Solidarität gäbe, mehr Ehrlichkeit und vor allem keine Bewertung, welches Familienmodell besser oder schlechter sei. „Dieses Konkurrenzdenken muss endlich aus den Köpfen raus!“, lautete eine Forderung aus der Runde.
Übereinstimmend stellten die Frauen fest, dass sie sich mit ihren Ansprüchen an sich selber das Leben noch zusätzlich erschwerten. In der Pandemiezeit, in der ihr Hotel geschlossen war, habe sie erst einmal lernen müssen, mit der freien Zeit umzugehen. Jetzt arbeite sie daran, nicht in alte Muster zurückzufallen, berichtete Tamara Posch. Ihr Fazit: „Wir sind selbst verantwortlich, uns freie Zeit zu schaffen. Niemand hat etwas davon, wenn uns die Kraft ausgeht!“
Und eine Erkenntnis aus der Runde war: „Wir definieren uns viel zu sehr über Arbeit, fühlen uns nur dann wohl, wenn wir beschäftigt sind. Das müssen wir selbst aus unseren Köpfen bringen!“
Dass Ehemänner keine Lebensversicherung sind, spielte in der Gesprächsrunde ebenfalls eine Rolle. Es sei wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen, auch mit Blick auf später. Ein 450 Euro-Job als Zusatzverdienst sei in Ordnung, nicht aber als einzige Erwerbsquelle, weil die Frauen dann im Alter keine oder nur eine geringe Rente bekämen. Daran ändere auch die geplante Aufstockung auf 520 Euro nichts, betonte Anne-Marie Ederer.
In der Pandemie habe es bei diesen Arbeitsverhältnissen keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder andere finanzielle Hilfen gegeben, was viele Familien in große Not gebracht habe.
Der Appell an MdB Al-Halak: „Sie müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin auf die fatalen Konsequenzen hinweisen, damit diese Mini-Jobs bei der nächsten Gelegenheit anders geregelt werden!“ Außerdem sollten die jungen Frauen, die sich für diese Jobs entscheiden, viel mehr über die Konsequenzen aufgeklärt werden. In diesem Alter macht man sich über die Rente noch keine Gedanken wurde als Grund dafür vermutet, dass junge Frauen immer noch gerne Minijobs annehmen.
„Es tat gut, dass uns ein Politiker zugehört hat und unsere Anliegen weitertragen will“, lautete das Fazit der Gesprächsteilnehmerinnen nach zweieinhalb Stunden.
Al-Halak wiederum war beeindruckt von der Offenheit der Frauen, die ihm einen tiefen Einblick in ihr Leben gewährt hatten. „Mir ist sehr klar geworden, wie stark Frauen sein müssen, um alle ihre Aufgaben zu stemmen und wie weit wir noch von Gleichberechtigung entfernt sind“, fasste der Bundestagsabgeordnete seine Eindrücke zusammen. „Respekt und Wertschätzung“ – für diese Wünsche aus der Runde will er sich stark machen: „Wir treffen uns wieder!“ − eb
Info: Minijob
In der Rentenversicherung sind Minijobberinnen und Minijobber pflichtversichert. Wer einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung stellt, kann sich von dieser Pflichtversicherung befreien lassen.
Wer langfristig als einzige Erwerbstätigkeit einen Minijob ausübt, hat im Alter nur einen sehr geringen Rentenanspruch, da der Pflichtbeitrag entsprechend der geringen Arbeitszeit sehr niedrig ist. Wer ausschließlich in Minijobs gearbeitet hat und dabei von der Rentenversicherung befreit war, hat am Ende seines Erwerbslebens keinerlei Rentenansprüche. In vielen Fällen heißt das: Minijobberinnen und Minijobber haben ein hohes Risiko für Altersarmut.