Muhanad Al-Halak

„Jeder Politiker sollte dazu verpflichtet werden!“

Auerbach/Grafenau. „Jeder Politiker sollte zu einem solchen Einsatz verpflichtet werden, um zu erfahren, wie es in der Praxis wirklich aussieht!“ Mit dieser Botschaft kam der Grafenauer Bundestagsabgeordnete Muhanad Al-Halak (FDP) von einer Tagesschicht zurück, die er beim ambulanten Pflegedienst von Daniel Kammerer in Auerbach (Lkr. Deggendorf) abgeleistet hatte.
Gut acht Stunden lang begleitete er Christine Moser auf ihrer Tour zu den Menschen, die auf ihre Hilfe warteten, lernte bei den Hausbesuchen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten kennen. „Ich war beeindruckt, mit wieviel Herzblut Christine trotz des Zeitdrucks ihre Arbeit macht und wie sie mit den Wünschen der Leute umgeht“, schilderte der Politiker im anschließenden Gespräch mit Firmenchef Daniel Kammerer und dessen Stellvertreterin Tatjana Märkl seine Eindrücke.
Der Inhaber des Pflegedienstes schob gleich einen Wunsch nach: Gesundheitsminister Karl Lauterbach solle sich an Muhanad Al-Halak ein Beispiel nehmen und auch einen Pflegetag absolvieren: „Dann würde er manche Sachen anders bewerten!“ 
Es war 14.15 Uhr, als der kleine türkisfarbene Firmenwagen auf das Gelände am Lehmhügel 11 in Auerbach einbog und Christine Moser ihren Begleiter aussteigen ließ. Um 5.15 Uhr hatten sich die examinierte Krankenschwester und der FDP-Abgeordnete erstmals getroffen; eine halbe Stunde später ging es los. 
Christine Moser war zunächst skeptisch, vermutete hinter der Aktion den PR-Gag eines Politikers, wie sie nach der Tour gestand. Diese Vorurteile seien aber schnell verflogen. Muhanad Al-Halak habe sich ernsthaft für ihre Arbeit interessiert und schnell Zugang zu ihren Patientinnen und Patienten gefunden. Er könne gerne wiederkommen. 
„Wir haben den Abgeordneten nicht geschont und ihn zu einer regulären Schicht eingeteilt, damit er die Realität kennenlernt“, berichtete Daniel Kammerer, der vor zwei Jahren den ambulanten Pflegedienst in Auerbach gegründet hat. Inzwischen hat das Unternehmen vier Standorte mit insgesamt 50 Mitarbeitenden, die rund 250 Menschen betreuen. „Neben mir gibt es nur einen einzigen Mann. Pflege ist immer noch Frauensache, auch deswegen, weil die meisten Patientinnen nicht von einem Mann gewaschen oder gewickelt werden wollen“, beschreibt Daniel Kammerer die Situation. 
Der Kontakt zwischen Al-Halak und Kammerer war über den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. entstanden. Die Geschäftsstelle in Berlin hatte das Versprechen des Bundestagsabgeordneten im Seniorenheim in Grafenau registriert, er werde in der Einrichtung einen Praktikumstag absolvieren. Warum nicht auch in der ambulanten Pflege? 
Die Firma von Daniel Kammerer wurde wegen der Heimatnähe des Politikers angefragt. „Ich muss gestehen, ich habe Muhanad Al-Halak nicht gekannt, obwohl Deggendorf zu seinem Wahlkreis gehört. Aber ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einem Politiker einen Einblick in unseren Alltag mit all seinen Problemen zu geben“, begründete Daniel Kammerer seine Zusage. 
Die Tour von einem Einsatzort zu anderen betrug rund 120 Kilometer – auf dem Land eine durchaus übliche Strecke, sagt Daniel Kammerer. Muhanad Al-Halak fiel auf, dass alle Pflegekräfte mit iPads ausgestattet und damit auch untereinander verbunden sind. „Da finden sich alle Informationen zum Beispiel über den Zustand der Patientinnen und Patienten, wie lange der Hausbesuch gedauert hat, welche Medikamente verabreicht wurden. 
Den Krankenkassen aber reicht dieser digitale Nachweis nicht. Es muss im Büro alles ausgedruckt werden“, ärgert sich der Politiker über die bürokratische Hürde. Daniel Kammerer hält die Dokumentationspflicht ohnehin für völlig überzogen: „Da vergeht einem das Lachen!“ Als größtes Problem komme der ständige Zeitdruck dazu. Die Sätze für die verschiedenen Leistungen seien gedeckelt, alles müsse „zack zack“ gehen, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. 
Die Bilanz von Muhanad Al-Halak nach diesem ungewöhnlichen Arbeitstag: „Es war anstrengend, aber unglaublich lehrreich!“ Seine dringende Empfehlung an die Politikerkolleginnen und –kollegen: „Ab in die Praxis, um fundiert abstimmen zu können, egal, um welchen Bereich es geht.“ − eb