Muhanad Al-Halak

Eine Suche – zwei Geschwindigkeiten

Könnte der Bayerische Wald ein geeigneter Standort für ein atomares Endlager sein? Eine Frage, die nicht nur den Landkreis Freyung-Grafenau schon länger beschäftigt. Der Bundestagsabgeordnete Muhanad Al-Halak (FDP) aus Grafenau hat daher zu einem Informationsveranstaltung in das Kunst- und Kulturhaus (KuK) in Schönberg eingeladen. In diesem Rahmen sprachen Steffen Kanitz, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft Endlager (BGE) sowie Lukáš Vondrovic, Direktor der Verwaltung der Atomendlager SÚRAO im Nachbarland, über den Stand der Standortauswahlverfahren in Deutschland sowie der Tschechischen Republik.
„Ich möchte, dass die Menschen in unserer Region diskutieren und sich mit Zukunftsfragen beschäftigen“, sagte Al-Halak eingangs. Besonders in Bezug auf die Suche nach einem geeigneten Standort im Nachbarland werde viel spekuliert. „Was das Auswahlverfahren angeht, spüren wir die Grenze. Uns fehlen Infos, Ansprechpartner und Gesichter. Ab heute nicht mehr.“

Zusammenspiel von 
Technik und Geologie

Steffen Kanitz informierte die Zuhörer über den Stand des Auswahlverfahrens in Deutschland. „Alle Endlagerorganisationen dieser Welt haben ein Ziel, nämlich die sichere Entsorgung der radioaktiven Abfallstoffe.“ Es gelte zudem das Verursacherprinzip, d.h. „wir sind für die Abfälle, die wir verursacht haben in Deutschland verantwortlich“. 
Im Endlager würden die Abfallstoffe in verpackten Behältern endgelagert. Der Behälter werde umgeben von Puffermaterial. Zudem spiele das Gestein eine Rolle als wesentliche Barriere, „so dass wir uns nicht alleine auf die Technik verlassen, sondern auch auf die Geologie“. Die Prinzipien des Verfahrens in Deutschland seien ähnlich wie in Tschechien auch, es gehe um wissenschaftsbasierte Faktoren.
Der Grund, warum nach einem Standort in der Tiefe gesucht werde, liege darin begründet, dass sich die Bedingungen an der Oberfläche schneller ändern. Die geologische Formation als Barriere könne hingegen helfen, radioaktiven Müll dauerhaft zu verschließen. Es gehe also darum, einen Ort zu suchen, an dem die erdgeschichtliche Entwicklung weitestgehend abgeschlossen sei. „Wir brauchen keine exogenen Faktoren in Form von Erdbeben, Vulkanismus, von Bewegungen im Untergrund“, so Kanitz. Diese könnten Prozesse in Gang setzen, die die radioaktiven Abfälle an die Oberfläche oder in die Grundwasserschichten transportieren könnten. Auch mit Faktoren wie wie klimatische Veränderungen, Eiszeiten und Überschwemmungen müsse man rechnen.
Es komme auf das Endlagerkonzept an: „also Behälter, Endlagerbergwerk plus Wirtsgestein“, so Kanitz. Jede der Gesteinsarten habe Vor- und Nachteile. In Skandinavien würde etwa in kristallinem Wirtsgestein, also Granit, ein Endlager gebaut. In der Schweiz würde Ton bevorzugt, in Deutschland gebe es Versuche mit Salzgestein.
Die Untersuchungen würden sehr lange dauern, so Kanitz. Es gelte, in Bezug auf die gewünschte Langzeitsicherheit für das Endlager die beste der geologischen Formationen zu identifizieren. 

Aus rund zehn Standorten den bestmöglichen finden

Dafür sei es nötig, schon vorliegende Daten auszuwerten, um festzustellen, wo in Deutschland es sich lohnen würde zu suchen. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden voraussichtlich zehn Standortregionen ausgewiesen, die in darauffolgenden Phasen über- sowie untertätig untersucht werden.
„Wo stehen wir aktuell“, so Kanitz. 54 Prozent der Fläche der Bundesrepublik seien noch im Suchradius und 90 Teilgebiete identifiziert. Diese müssten genauer untersucht werden, um mögliche Standorte auszuweisen. 
Wenn eine sehr gute geologische Formation gefunden sei, gehe es an die Bewertung der Oberfläche, um zu sehen, welche Argumente für oder gegen eine Eignung sprechen. Faktoren wie Siedlungsdichte oder die Tatsache, ob die Region ein Natur- oder Trinkwasserschutzgebiet sei, würden bei der weiteren Analyse ebenfalls eine Rolle spielen.
Für Deutschland sei festgesetzt worden, 2031 wolle man einen Standort haben. Der Vorhabenträger, die BGE, solle aber einen Zeitplan vorlegen, sobald bessere Aussagen über die Planungen möglich seien. „Das haben wir getan und kommen zu dem Ergebnis, es dauert mindestens bis 2046, bis wir einen Standort haben. Diese Verzögerung liege an den komplizierten wissenschaftlichen Untersuchungen, um den bestmöglichen Standort zu finden. Es gebe nicht so viele Firmen, die entsprechende Bohrungen durchführen könnten und nicht so viele Kapazitäten, um die Datenmenge auszuwerten.
Von der Schwierigkeit, den richtigen Ort für ein Tiefenlager zu finden, berichtete auch Lukáš Vondrovic. Er ist Direktor der Verwaltung der Atomendlager SÚRAO. 
In den 1990er Jahren habe es noch 32 Regionen gegeben, die zur Debatte standen. 2003 seit die Entscheidung getroffen worden, sich nur auf Standorte zu konzentrieren, an denen kristallines Gestein vorhanden ist. „2020 haben wir vier Standorte gefunden, die gute Bedingungen bieten und die werden seitdem näher untersucht.“ 
Die Gebiete in Tschechien, die in Frage kommen sind: Die Gemeinden Horka und Hrádek (Kreis Vysočina), Janoch bei Temelín in Südböhmen und Březový potok im Kreis Pilsen Sie würden sich unter anderem durch gute geologische sowie hydrogeologische Bedingungen auszeichnen, dass beispielsweise wenig Grundwasserzufluss vorhanden sei. Auch überirdischen Bedingungen werde viel Aufmerksamkeit gewidmet.

Endlager in etwa
500 Metern Tiefe

Die Auswahlkriterien in Bezug auf den Standort ähneln den deutschen. Es gehe etwa um gute geologische Bedingungen, um Landzeitsicherheit zu gewährleisten. Zusätzlich müsse das Gestein in diesem Gebiet sehr homogen sein.
Das Tiefenlager werde in einer Tiefe von etwa 500 Metern in kristallinem Wirtsgestein gebaut. Dieses ähnele dem Gestein in der Region im Bayerischen Wald. Es solle Platz geben für 4500 Kubikmeter radioaktivem Müll sowie 9500 Tonnen abgebrannter Brennstäbe. 
In die Entscheidung, welche Sicherheitsmaßnahmen benötigt werden, seien Erkenntnisse auslangfristiger Forschung eingeflossen. Das Team habe sich auch mit früheren geologischen Prozessen beschäftigt, um daraus Informationen zu gewinnen. „Wir arbeiten außerdem mit hochklassigen Wissenschaftlern und profitieren von internationaler Zusammenarbeit.“ Vondrovic verwies auf Schweden und Finnland, da diese die ersten Länder seien, die solche Tiefenlager in Betrieb nehmen würden. Die Schweiz und Kanada befänden sich etwa auf der gleichen Stufe wie Tschechien. Auch vom Wissen aus Deutschland über Atommüllentsorgung profitiere man.
Aktuell erfolge die Prüfung der Standorte, „und wenn alles nach Plan läuft, wird der finale Standort sowie ein möglicher Ersatzstandort 2028 bestimmt“. 2030 werde die Genehmigung beantragt, ein Untergrundlabor zu bauen. 2040 sei der Beginn des Baus des Tiefenlagers geplant, 2050 könnten erste Versuche stattfinden und das Tiefenlager in Betrieb gehen. Quelle:PNP