Bei der Endlager-Suche von Oberfranken lernen
Grafenau/Wunsiedel. Die Suche nach einem atomaren Endlager in der Bundesrepublik konstruktiv-kritisch begleiten – das ist die Aufgabe der Regionalen Koordinierungsstelle Oberfranken mit Sitz am Landratsamt Wunsiedel. Wie das funktioniert und welche Erfahrungen diese deutschlandweit bisher einmalige Einrichtung gemacht hat, schilderten Landrat Peter Berek, Geologe Dr. Andreas Peterek und Geoökologin Eva Bayreuther dem Bundestagsabgeordneten Muhanad Al-Halak vor kurzem bei einem Gesprächstermin in Wunsiedel. Der regionale FDP-Politiker ist Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Bundestages und Kreisrat im Landkreis Freyung-Grafenau, wo eine Koordinierungsstelle für Niederbayern nach dem Vorbild Oberfrankens eingerichtet werden soll.
„Ich möchte, dass auch die Menschen im Bayerischen Wald so viele Informationen wie möglich bekommen, um mitreden und mitgestalten zu können“, beschrieb der FDP-Politiker in einer Pressemitteilung zu dem Termin in Franken sein Anliegen. Das Thema treibe die Leute um. Das habe sich vor knapp einem Monat bei der Veranstaltung mit Steffen Kanitz, dem Geschäftsführer der Bundesgesellschaft Endlager, und dessen tschechischem Kollegen Lukáš Vondrovic, Direktor der Verwaltung der Atomendlager SÚRAO, in Schönberg gezeigt, die er organisiert hatte und zu der Besucher aus der gesamten Region gekommen waren.
2017 begann die Suche nach einem Endlager auf der weißen Landkarte von ganz Deutschland neu. Der viele Jahre favorisierte Salzstock Gorleben wurde im Herbst 2020 als möglicher Standort aufgegeben, blendete Landrat Peter Berek zurück: „Wir wollten das Verfahren von Anfang an aktiv begleiten, Fachwissen einbringen und uns überzeugen, dass alles nach objektiven fachlichen Kriterien abläuft!“ Deshalb sei im Januar 2021 die Regionale Koordinierungsstelle gegründet worden, der die sieben oberfränkischen Landkreise und vier kreisfreien Städte angehörten. Sie teilten sich die Sach- und Personalkosten nach dem Einwohnerschlüssel auf. In jedem Landratsamt und in den Rathäusern der kreisfreien Städte gebe es einen Ansprechpartner für das Thema Endlagersuche, in den meisten Fällen einen Geografen, um Informationen effizient verteilen zu können.
Ausgangslage wie im Bayerischen Wald
Der „Zwischenbericht Teilgebiete“, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) im Herbst 2021 vorgelegt hat, weist Teile von Oberfranken als möglichen geeigneten Standort für ein atomares Endlager aus – genauso wie den Bayerischen Wald. 90 Regionen sind es deutschlandweit insgesamt. Die Basis für diese Bewertung lieferten Daten über den tiefen geologischen Untergrund, die von der BGE am Schreibtisch aus den von den geologischen Landesämtern und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover bereitgestellten Daten ermittelt worden seien.
Hier setzt die Arbeit von Dr. Andreas Peterek an, der neben der Regionalen Koordinierungsstelle auch den Geopark Bayern-Böhmen in Parkstein leitet. „Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BGE fehlen durchaus auch mal für die Beurteilung der Region wichtige Informationen, auf die wir hinweisen können und die dann in die Bewertung einfließen. Oder wir bringen ein, dass gewisse Sachverhalte der regionalen Geologie stärker berücksichtigt werden müssen“, sagte der Geologe. Als Beispiel nannte er, dass nicht nur die Vulkane in der Region, die bis vor einer Million Jahren aktiv waren, Berücksichtigung finden sollten, sondern auch solche, die zehn oder 30 Millionen Jahre alt seien. Schließlich zeige diese große Spannbreite, dass es sich um eine immer wieder vulkanisch aktive Region handle.
„Vulkanismus jünger als eine Million Jahre ist ein Ausschlusskriterium. Laut Gesetz kann ein atomares Endlager in einem Umkreis von zehn Kilometern um ein solches Gebiet nicht gebaut werden. Ein im Auftrag der BGE von namhaften Geowissenschaftlern erstelltes Gutachten empfiehlt jetzt sogar einen Radius von 25 Kilometern und zudem die Berücksichtigung mit dem Vulkanismus zusammenhängender Gasaustritte und Erdbeben“, schilderte Dr. Peterek eine Tatsache, auf die die Koordinationsstelle bereits in ihrer Stellungnahme zum Zwischenbericht Teilgebiete hingewiesen hat.
Das Erheben und Auswerten geologischer Daten empfahl der Wissenschaftler auch für den Bayerischen Wald. Es sei wichtig, den Zwischenbericht Teilgebiete mit eigener regionaler Expertise zu prüfen und zu bewerten, ebenso wie die weiteren Schritte im Verfahren. Dies diene unter anderem auch der Kontrolle eines nach dem Gesetz geforderten transparenten und wissenschaftsbasierten Verfahrens. Aufgabe der Koordinationsstelle sei es auch, den Menschen in der Region die oft schwierigen geologischen Zusammenhänge, das komplexe Suchverfahren oder das Zustandekommen von Entscheidungen der BGE zu erklären.
Mit regionaler Expertise prüfen und bewerten
Ursprünglich sollte die endgültige Standortentscheidung bis 2031 fallen, doch dieser Termin sei inzwischen überholt (PNP berichtete). Das Verfahren werde sich deutlich länger hinziehen. Trotzdem fallen in den nächsten fünf Jahren wichtige Entscheidungen zur weiteren Eingrenzung von möglichen Standorten, ist die Geoökologin Eva Bayreuther überzeugt, die Netzwerkerin in der regionalen Koordinierungsstelle Oberfranken: „Es wäre die falsche Reaktion, sich zurückzulehnen und zu sagen, es dauert ja noch Jahrzehnte, bis die endgültige Standortentscheidung fällt.“
Aufgabe von Eva Bayreuther ist es vor allem, zu beraten und zu informieren, den Verfahrensablauf zu beobachten und sich daran zu beteiligen, zum Beispiel bei Veranstaltungen des Nationalen Begleitgremiums oder als Mitglied im Planungsteam Forum Endlagersuche. Es sei wichtig, dass auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit nutzten, sich einzubringen.
Als überaus wichtige Aufgabe bezeichnete es Eva Bayreuther, Vertrauen zu schaffen. „Der Vorschlag der Standortregionen wird nach wissenschaftlichen Kriterien gemacht und nicht, weil dort zum Beispiel wenige Menschen leben und man möglicherweise mit weniger Widerstand rechnen kann“, betonte die Geoökologin. Über ihre Arbeit berichten sie und Dr. Andreas Peterek insbesondere in Kreistagen, Umweltausschüssen, in Vereinen und vor interessierten Gremien. Es wäre schön, wenn die Verantwortlichen in der Regionalen Koordinierungsstelle Oberfranken im Umweltausschuss des Bundestages von ihrer Arbeit berichten könnten, regte Landrat Peter Berek an, denn: „Es gibt uns deutschlandweit bisher nur einmal!“
MdB Al-Halak dankte seinen Gesprächspartnern für die Fülle von Informationen. Er habe wichtige Erkenntnisse für die geplante Koordinierungsstelle in Niederbayern mit Sitz in Freyung gewonnen, die von den Erfahrungen in Oberfranken nur profitieren könne. Das gelte zum Beispiel für eine proaktive, fachliche Zuarbeit aus der Region zur Bundesgesellschaft Endlager (BGE), wie sie Wunsiedel erfolgreich praktiziere. „Mir ist ein empathischer, bürgernaher Ansatz wichtig, um den Menschen im Bayerischen Wald Ängste zu nehmen und die Diskussion für und gegen ein Endlager wertfrei mit der Bürgerschaft zu führen. Diesen Prozess will ich im Sinne der Region begleiten, auch wenn die Standortwahl noch offen und Jahre entfernt ist“, sagte Al-Halak. Sein Wunsch: „Ich hoffe auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Region, Landes- und Bundesebene!“ − pnp